Herr Stallmach begann mit verschieden Begriffsdefinitionen. Mehrere Konzeptionen von Gewalt wurden besprochen, die Verschränkung von Gewalt und Macht, und die Abstrahierung von Gewalt zu einer institutionalisierten Drohung im Rahmen des staatlichen Gewaltmonopols. Zentral für seine Argumentation war ebenso der Begriff der Zweckrationalität, der Gewalt oft unterworfen werde. Gewaltmärkte definierte Stallmach nach Georg Elwert (1999) wie folgend: “Markets of violence are understood as economic fields dominated by civil wars, warlords or robbery, in which a self-perpetuating system emerges which links non-violent commodity markets with the violent acquisition of goods. It is the profit implied in the entwined violent and non-violent forms of appropriation and exchange which is the guiding principle of action. A self perpetuating economic system emerges beneath the surface of moral, world-view and power conflicts […]. Only those actors who pursue economically profitable strategies –irrespective of their intentions- will survive.“
Nach dieser Einleitung diskutierte Herr Stallmach die Entstehungsbedingungen für einen Gewaltmarkt. Zentral sei die Abwesenheit eines Gewaltmonopols, entweder aufgrund eines “failed states”/ der Abwesenheit des Staates, aufgrund der Lokalisierung des Gewaltmarkts an der Peripherie des Staates oder in Übergangsregionen. In der modernen Geschichte sind Gewaltmärkte besonders häufig als Konsequenz von Bürgerkriegen oder unterentwickelten Staaten aufgekommen.
Der Gewaltmarkt ist gebunden an eine Interaktion zwischen einer Gewaltnachfrage und einem Gewaltangebot. Nachfrage entsteht unter anderem aus einem externen staatlichen Interesse an False Flag Operationen, “plausible deniability”, der Unfähigkeit hinreichende eigene militärische Mittel zu mobilisieren und der versuchten Auslagerung von Verlusten. Das Gewaltangebot wird primär von Söldnern, Gangs sowie Piraten, Freibeutern und Korsaren gestellt. Diese haben weitere wirtschaftliche Anreize, weshalb sie schlussendlich nicht von den externen Staaten vollkommen kontrolliert werden können: Schutzgeld, Tribute und Lösegeld von der Bevölkerung. Dazu kommt soziales Kapital wie Titel, zivile und militärische Positionen, Ehre, Ruhm usw. Kriegsherren werden dadurch zu “Entrepreneuren” oder “Managers of Violence”, die den Zusammenbruch von früheren Normen und Gesetzen sicherstellen und neue militante Normen sowie eine Kriegskultur entwickeln. Dies führe zu dem Zusammenbruch von komplexen Wirtschaftszweigen innerhalb des Raumes. Konsequenz davon ist eine immer größer werdende Abhängigkeit von externen Mächten (Sponsoren), der Plünderung von Handelsrouten oder simplen Ressourcen wie Erdöl und Drogen.
Die Gewaltarbeiter” rekrutieren sich oft aus sozialen Unterschichten, die keine anderen Verdienstmöglichkeiten mehr haben, und zu einer “Beutegmeinschaft” zusammenschmelzen. Ein Domino-Effekt entwickelt sich, indem sich immer mehr Menschen gewalttätigen Gruppen anschließen, um selbst nicht Opfer zu werden. Gewaltkultur und Gewalttätige Normen dominieren nach und nach jegliche sozioökonomische Interaktionen. Die Konsequenzen davon sind Massensterben, Sklaverei, Vergewaltigung und Raub.
Ein Gewaltmarkt endet, wenn das Gewaltmonopol vom Staat wiederhergestellt wird. Der Zusammenbruch des Gewaltmarkts kann eine Konsequenz eines Kriegsendes sein, durch Erschöpfung von lokalen Ressourcen und Bodenschätzen, externen Sanktionen und Blockaden oder durch die komplette Unzuverlässigkeit der Marktteilnehmer entstehen.
Zuletzt besprach Stallmach dieses theoretische Konzept anhand eines Fallbeispiels: den Korsaren im Mittelmeer. Die Diskussion, welche auf die Präsentation folgte, leitete er mit Fragen zur möglichen Existenz von Gewaltmärkten in der Ukraine und Afrika von heute. Die Fragen der Studenten zur Differenzierung von sozialen und kulturellen Kapital beantworte er mit Rückbezug auf Bourdieu. Auch beantwortete er Fragen zur Stabilität der Grenzen von Gewalträumen und der Interaktion zwischen wirtschaftlichen Akteuren in Gewalträumen und jenen außerhalb von ihnen.