Zuerst kontextualisierte Herr Forkel das Thema. Die wissenschaftliche Debatte sei stark politisiert. Außerdem gebe es eine signifikante Trennung zwischen deutscher und Anglo-amerikanischer Forschung, da die Letzteren die deutsche Forschung nicht sonderlich rezipieren würden. Früher sei das Thema meist in einzelnen Case Studies behandelt worden, heutzutage gäbe es langsam methodische Entwicklungen zu einer vergleichenden Perspektive und verflechtungsgeschichtlichen Ansätzen. Zentral zum Verstehen der Debatte seien auch die radikalen deutschen Kriegsziele, die zwar aufgrund des alliierten Sieges nicht bestehen blieben, jedoch noch während des Krieges Ausdruck im Vertrag von Brest-Litovsk fanden. Dies habe die Wut der Alliierten weiter angefacht und die Konditionen der späteren Pariser Vorortverträge verschärft.
Als nächstes ging Herr Forkel auf die verschiedenen Interessen der Alliierten ein. Neben den 4 Hauptsiegermächten (GB, FR, USA, IT) gab es unzählige assoziierte und beobachtende Staaten, welche ebenso versuchten, ihre Interessen durchzusetzen. Der fünften großen Siegermacht, Japan, wurde eine Gleichstellung mit den anderen vier verwehrt. Die USA, wie in ihrem 14 Punkte Plan evident, war interessiert an einer Demokratisierung des gesamten Europas sowie “national self-determination”. Wilson setzte sich auch besonders stark für die Schaffung des Völkerbundes ein. Frankreich hatte Angst vor einem deutschen Revanchismus und wollte deswegen Deutschland so sehr schwächen wie möglich, unter anderem durch Gebietsabtretungen. Großbritannien versuchte in Europa erneut ein multipolares Mächtesystem zu etablieren und die eigene Überlegenheit auf See ausbauen. Italien war aufgrund des Irredentismus daran interessiert, große Teile Österreich-Ungarns zu annektieren und das eigene Kolonialreich zu vergrößern. Japan war ebenso an Kolonien interessiert, sowie daran, eine rassische Gleichstellungsklausel im Völkerbund zu etablieren.
Versailles wurde von vielen Deutschen als ein amerikanischer Verrat an Wilsons 14 Punkten wahrgenommen. Er komme laut Forkel den Deutschen fälschlicherweise wie ein karthagischer Frieden vor. Die Reparationszahlungen, die erst nach Versailles festgelegt worden waren, seien so hoch wie der Gesamtbesitz des deutschen Volkes gewesen.
St. Germain legalisierte den de facto bereits passierten Zusammenbruch des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn. Österreich wurde zu einem nicht-autarken Rumpf des Reiches, welcher Probleme hatte, die vielen Menschen in Wien mit Essen zu versorgen. Das österreichische Interesse an einem Anschluß an Deutschland wurde ignoriert, ein Verstoß gegen das amerikanische Selbstbestimmungsprinzip. Der neue österreichische Staat hatte aufgrund des geschrumpften Territoriums signifikante wirtschaftliche Probleme. Diese Faktoren ermöglichten laut Forkel den Aufstieg des Austrofaschismus.
Der Vertrag von Trianon, welcher Ungarn zwei Drittel seines Territoriums absprach, führte bei der Bevölkerung zu einem starken Interesse an Irredentismus, welches bis heute zu einem gewissen Grad anhält. Die Alliierten verstießen gegen die eigenen Prinzipien und integrierten Gebiete mit magyarischer Bevölkerung in andere Staaten, um ein neues Mächtegleichgewicht zu schaffen.
Der Vertrag von Neuilly wurde mit Bulgarien geschlossen. Die Bulgaren kamen mit wenigen territorialen Verlusten davon, hatten jedoch während dem Krieg prozentual die höchsten Verlustraten in der Bevölkerung. Bulgarien war am wenigsten an extremem Revisionismus interessiert, jedoch wirtschaftlich isoliert und geriet somit in der Zwischenkriegszeit erneut in eine deutsche Einflusssphäre.
Die Verträge von Lausanne und Sevres sind laut Forkel im Kontext von einer grundsätzlich tükisch-imperialistischen Politik Großbritanniens geprägt, die bis zur MacMahon-Hussein Korrespondenz und der Balfour Deklaration zurückreicht. Die Türkei akzeptierte die aufgezwungenen Konditionen nicht und bekämpfte sie in den sogenannten Türkischen Befreiungskriegen.
Auch im Osten konnte keine effektive Friedensordnung geschaffen werden - im Rahmen des russischen Bürgerkriegs und den Befreiungskämpfern verschiedenster Ethnien gab es nur bedingt nationale Selbstbestimmung und wenig Stabilität. Demokratien, welche gegründet wurden, waren in den Dreissigern bereits erneut Autokratien. Zuletzt ging Forkel auf Japan und Italien ein, die sich in der Nachkriegsordnung von den Alliierten distanzierten. Bei beiden sieht er als zentral, dass sie ihre Forderungen nicht erfüllt sahen und deswegen den revisionistischen Verlierermächten näher kamen.
Für die Diskussion hatte Herr Forkel 5 Debattierthesen aufgestellt. Ziel war es dabei, allgemeingültige Lehren für die Friedensforschung zu identifizieren. Die globale Perspektive, welche er im Vortrag nutzte, bot sich dafür perfekt an. Die Thesen beinhalteten a) Staaten sollten nicht ihre selbst definierten Prinzipien brechen. b) Die Gestalter des Friedens müssen von Weitsicht und Kompromissbereitschaft geleitet sein. c) Akteure sollten rationalistisch handeln und Emotionen aus dem Entscheidungsprozess ausschließen. d) Die Maxime “Auge um Auge, Zahn um Zahn” hat keine Berechtigung in modernen internationalen Beziehungen. e) Die Pariser Vorortverträge dienten als Nährboden für nationalistische Kräfte und die Radikalisierung Europas. Schlussendlich beantwortete Forkel noch Fragen aus dem Publikum, unter anderem über die Hussein-McMahon-Korrespondenz.