Um Indiens Außenpolitik zu verstehen, müsse zu Beginn die historische Entwicklung betrachtet werden. Indiens Unabhängigkeit von Großbritannien führte zu einem liberalen und hoffnungsvollen Selbstverständnis in Bezug auf die Rolle Indiens in der Welt, welches durch den einmonatigen Indisch-Chinesischen Grenzkrieg 1962 zerrütet wurde. Nachdem Indien in den 1970er und 1980er Jahren näher an die USA heranrückte und eine starke regionale Machtposition anvisierte, fand sich Indien in den 1990er Jahren im gloabalen Konflikt um die Unipolarität wieder. Erst nach der Jahrtausendwende sei ein internationales Gleichgewicht aus indischer Perspektive erreicht werden. Seit nun knapp zehn Jahren orientiere sich die indische Politik zunehmend am rechten Spektrum, in dem der Stolz auf die eigenen Wurzeln eine besondere Bedeutung zukommt.
Die indische Bevölkerung habe nach Umfrageergebnissen gegenüber den USA und Russland eine positive Wahrnehmung, ein für europäische Verhältnisse überraschendes Ergebnis. Das Europa zunehmend an Einfluss in der Welt verliert, werde von der indischen Bevölkerung bestätigt. Die Innenpolitik sei zunehmend von zwei Vorgehensweisen dominiert: harte Macht und das Streben nach regionaler Hegemonie (Realismus) gegen die Gewaltlosigkeit und Kooperation (Non-Alignment).
Die Erklärung der zunächst widerprüchlichen positiven Haltung gegenüber Russland und den USA sei durch den Begriff der "strategic autonomy" greifbar. Indien versuche seit Jahren außenpolitisch als ein wertvoller Partner aufzutreten, ob für die USA gegen die Machtbestrebungen Chinas oder für Russland im Kontext der BRICS Staaten, um nur zwei Beispiele zu nennen. Die Vorgehensweise zum erreichen einer strategischen Autonomie seien strategische berdüfnisorientierte Allianzen in der multipolaren Welt. Indiens Ziele und Politik könne mit einer Zwiebel verglichen werden: Im Zentrum stehe die Angst, hinter China zurückzufallen und vor allem Fehler der Vergangenheit zu machen. Auf der zweiten Ebene finde sich das Streben nach einer privilegierten Machtposition (vor allem regional) und die stärkere Durchsetzung indischer Interessen wieder. Ganz außen folge Multilateralismus und Multipolarität. Grundsätzlich agiere Indien dabei unabhängig und aggressiv.
In der anschließenden Fragerunde wurde die radikal-hinduistische, möglicherweise auch faschistische, Kaderorganisation Rashtriya Swayamsevak Sang (RSS) diskutiert. Der amtierende Ministerpräsident Indiens, Narendra Modi, war nicht nur Mitglied der Kaderorganisation, sondern sei stolz auf seine Mitgliedschaft. Nachdem Indiens Aktivitäten im Zuge der BRICS Staaten auf Nachfrage von Nikita als bedürfnisorientierte Allianz eingestuft wurde, fragte eine Zuhöherin nach der Zunahme der Islamfeindlichkeit in Indien, auch in Bezug auf Ministerpräsident Modi und seine Mitgliedschaft in der RSS. Diese Frage beantwortete Nikita positiv, die religiöse Gewalt nehme zu. Dabei dürfe nicht vergessen werden, dass bereits bei der Unabhängigkeit Indiens und der Gründung Pakistans aus der Kolonie Britisch-Indien Religion eine zentrale Rolle einnahm. Mit zunehmeder Orientierung am rechten politischen Spektrum steige auch das Potential für religiöse Zusammenstöße in Indien.
Was können wir aus dem Vortrag mitnehmen?
Indiens Fehler in Bereich der Außenpolitik in der Vergangenheit haben einen enormen Einfluss auf ihre heutige Außenpolitik. Dabei strebt Indien nun nach Allianzen, die ihren eigenen Bedürfnissen entsprechen und versucht dadurch seine Position regional wie global zu stärken. Regional weist China den größten Konkurrenten auf. Nichts desto trotz agiert Indien nicht nur unabhängig, sondern sogar aggressiv, um nicht hinter China zurückzufallen.