Sicherheitskultur und Sicherheitspolitik - Das neue Narrativ des langen 19. Jahrhunderts

Woher kommt das Konzept der Sicherheitspolitik? Das haben wir mit einem Vortrag von Prof. Dr. Klaus Ries zu klären versucht und sind mit dieser Frage bis in das 19. Jahrhundert zurückgegangen.

Prof. Dr. Klaus Ries

Am 18.01.2023 hielt Prof. Klaus Ries im Rahmen einer Veranstaltung unserer Hochschulgruppe einen Vortrag mit dem Titel „Sicherheitskultur und Sicherheitspolitik – Das neue Narrativ des langen 19. Jahrhunderts“. Ries ist apl. Professor für Neuere Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und legt in seiner Forschung besondere Schwerpunkte auf Wissenschafts- und Universitätsgeschichte im 19. Jahrhundert, Philosophie- und Intellektuellengeschichte und die sogenannte „Sattelzeit der Moderne“.

 

Ziel unserer Veranstaltung war es mit einer historisch reflektierten Perspektive auf das Konzept „Sicherheitspolitik“ zu blicken, um es besser begreifen zu können.

 

Die Veranstaltung war, wie auch die vorangehende, als ca. 60-minütiger Vortrag des Referenten mit einer anschließenden Diskussionsrunde angelegt.

 

Prof. Ries begann mit einem Überblich über sowie einer Einordnung des aktuellen Forschungsdiskurses über die Lage in Europa nach der Verbannung Napoleon Bonapartes, maßgeblich über die „Neuordnung Europas“ auf dem Wiener Kongress. In seinem Vortrag konzentrierte er sich insbesondere auf die Gebiete des späteren Deutschlands – nach dem Wiener Kongress also den „Deutschen Bund“, bestehend aus den Großmächten Preußen, Österreich und einigen Einzelstaaten, wie beispielsweise das Königreich Bayern. Prof. Ries begann den inhaltlichen Teil seines Vortrages mit der Gründung des Deutschen Bundes am 08.06.1815 und der Interpretation desselben als „europäisches Sicherheitsinstrument“. Dieses Konstrukt sei Ausdruck einer Sicherheitspolitik nach innen und orientiere sich maßgeblich an dem Restaurationsbegriff Metternichs, nach dem Sicherheit insbesondere als Schutz vor revolutionären Umsturzversuchen verstanden wurde. Anschließend behandelte Prof. Ries die Frage der Bildung eines Sicherheitsstaates. Bei den angegebenen Gründen für die Repressionen der Karlsbader Beschlüsse divergieren die Forschungsmeinungen über die Validität der Gründe für diese Repressionen. Diese Gründe seien die Bücherverbrennung beim Wartburg Fest sowie der Kotzebue-Mord gewesen – die Einschätzungen scheiden sich hier an der Frage, ob diese Taten gegen den Staat gerichtet waren und möglicherweise von terroristischen Vereinigungen verübt worden waren oder ob diese Zuschreibungen zu hoch gegriffen seien und lediglich als Vorwand für die Karlsbader Beschlüsse dienten.

Nach Prof. Ries herrschte eine „grande peur“ im Establishment bis 1850, wie sie auch im revolutionären Frankreich geherrscht habe – eine beständige Sorge vor revolutionären Bewegungen oder gar vor Terror, den es nach Prof. Ries so in den deutschen Gebieten nicht gegeben habe. Nach 1848 wurde ihm zufolge das Sicherheitsorgan Polizei zur Bekämpfung von tatsächlichen oder empfundenen Systemfeinden ausgebaut, womit es zu dem Aufbau eines Sicherheitsstaates kam. Der Kampf gegen die Sozialdemokratie und andere Verfassungsfeinde wurde instrumentalisiert und unter Wilhelm I. und seinem Reichskanzler Otto von Bismarck für die Herstellung der Reichseinigung genutzt.

 

Im Anschluss an den Vortrag konzentrierten sich die Fragen hauptsächlich auf den von Prof. Ries genutzten Sicherheitsbegriff und die Parallelität verschiedener Verständnisse und Definitionen von Sicherheit und Sicherheitspolitik.

 

Mit ca. 30 Anwesenden war die Veranstaltung sehr gut besucht und wir bekamen im Anschluss viele positive Rückmeldungen aus dem Publikum. Wir schlossen den Abend dann mit Prof. Ries und einer Gruppe von 13 Teilnehmenden in gelockerter Atmosphäre im „Théatercafé“ ab.

 

Wir danken allen Zuhörerinnen und Zuhörern für einen schönen Abend und insbesondere Prof. Dr. Klaus Ries für den äußerst lehrreichen Exkurs in die Geschichte unseres Landes und unseres Metiers!